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- Convenors:
-
Sabine Wienker-Piepho
(Jena University )
Brigitte Frizzoni
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- Stream:
- Narrative
- Location:
- VG 3.108
- Start time:
- 27 March, 2017 at
Time zone: Europe/Berlin
- Session slots:
- 2
Short Abstract:
Kaum ein Zaubermärchen kommt ohne Märchenschloss aus, kaum eine populäre Erzählung ohne luxuriöse Behausung. Das Panel untersucht Funktion, Topographie und Ästhetik des luxuriösen Wohnens in märchenhaften Erzählungen.
Long Abstract:
Luxuriöses Wohnen wird genreübergreifend in sehr vielen Volkserzählungen und märchenhaften populären Erzählungen thematisiert. Kaum ein Zaubermärchen kommt ohne Märchenschloss aus, kaum eine populäre Erzählung ohne luxuriöse Behausung. In Märchenverfilmungen und in Computerspielen wird das Schloss immer mehr zum ubiquitären Stereotyp. Wann fungieren Schloss, Gutshaus, Villa oder Penthouse als Handlungsort, wann als metaphorisch-symbolischer Raum? Wann sind sie Isolations-, Jenseits- oder Entrückungsort, wann numinos-verwunschene Herausforderung oder Non-Lieux? Als Inbegriff von Luxus und Macht üben Schlösser bis heute grosse Faszination aus. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine bloß nostalgische Faszination handelt, um einen Anachronismus, oder ob Schlossbesitz wieder der Distinktion dient.
Wir freuen uns über Beiträge, die das luxuriöse Wohnen in Volkserzählungen wie Zaubermärchen und Sagen, aber auch in märchenhaften Filmen, TV-Serien, Computerspielen und populären Romanen auf Funktion, Topographie und Ästhetik hin untersuchen.
Accepted papers:
Session 1Paper short abstract:
Dwelling in castles as a narrative. "Castles" were always seen als magical places, as part of the wish-fulfilling charakter of folktales all over the world. Including recent anthropological dicourse about places and non-places in narratives, the paper will try to present modern aequivalents.
Paper long abstract:
Nicht neu ist die Vorstellung, die Welt bestünde eigentlich nur aus Erzählungen und folglich entfalte sich auch das Soziale hauptsächlich im "narrare" und in "Narrativen"; eine inzwischen hochgradig ausdifferenzierte Forschungstradition hat auch Eingang in die historisch-vergleichende Erzählforschung der internationalen Folkloristik gefunden, die in Göttingen über ein exzellentes Kompetenzentrum verfügte: die Enzyklopädie des Märchens. Diese setzt sich u.a. mit Orten und Nicht-Orten auseinander und dazu gehört auch das "Schloß", ein im Diskurs als emotional besetzter, symbolisch verschlüsselter und reifizierter Wohnort multiperspektivisch ausgedeuteter Begriff. Der (bebilderte) Vortrag wird sich mit der Frage befassen, wie Schlösser in traditionellen Narrativen geschildert wurden und wie sie sich auf der Folie neuer Erörterungszusammenhänge heutzutage darstellen.
Paper short abstract:
Märchenschlösser müssen im Volksmärchen narrativ konstruiert werden. Drei Aspekte spielen dabei eine wichtige Rolle: die Ökonomie in der Raumorganisation, die diskontinuierliche Ordnung der Raumauffassung und die Bedeutung der Erzählperspektive.
Paper long abstract:
Im europäischen Volksmärchen werden die "märchenhaften Schlösser" und luxuriösen Behausungen nicht so sehr beschrieben als vielmehr im Fortschreiten der Handlung konstruiert. Dabei geht der Erzählerin bzw. die Erzählerin überaus ökonomisch vor. Nur was der Erzählung dient, findet Erwähnung. Und indem jeweils nur einzelne Raumelemente bzw. Requisiten gegeben werden (nach dem rhetorischen Prinzip des Pars pro toto), bleibt es den Zuhörenden oder Lesenden überlassen, diese zu einem vollständigen räumlichen Ensemble zu ergänzen. Der Märchenraum und damit auch das Märchenschloss als Raum sind diskontinuierlich; er ist ungleichmäßig, nicht homogen, und er ist kontraktiv und extensiv zugleich. Endlich hängt die Konstruktion des Märchenpalastes von der Erzählperspektive ab, aus der die Handlung erzählt wird. Der Wechsel von auktorialem zu personalem Erzählen variiert die Nähe zum Geschehen und damit die Raumorganisation und versucht damit, Einfluss auf Intensität und Emotionalität der Rezeption zu nehmen.
Paper short abstract:
Dieser Beitrag untersucht die topographische und funktionale Bedeutung märchenhafter Wohnstätten in isländischen Zaubermärchen, als Ausdruck des sozialen und gesellschaftlichen Gefüges in Island sowie den Einfluss isländischer Mittelalterliteratur auf das Volksmärchen des 19. Jahrhunderts.
Paper long abstract:
Das Märchenschloss als Sinnbild für Reichtum, prunkvolles Interieur und als Ort rauschender Festivitäten, findet sich in isländischen Zaubermärchen nur selten. Bisweilen erinnern die Beschreibungen eher an die Erscheinung eines reichen Gutshauses. Bereits die deutsche Wissenschaftlerin, Adeline Rittershaus (1876-1924), bemerkt in ihrem Werk, Die neuisländischen Volksmärchen, von 1902, dass es in isländischen Märchen nur eine sehr schwache soziale Abgrenzung sowie räumliche Distanz zwischen dem Königsschloss (konungshöll) und der Hütte der Bauersleute (koti) gibt. Die Behausung der Bauern befindet sich oft unweit des Königsschlosses oder sogar in einer Ecke des königlichen Hofes, sodass Königs- und Bauernkinder zu täglichen Spielgefährten werden. Ebenso ist es in isländischen Märchen üblich, dass die Wohnstätte der Königskinder (skemma) separat von den königlichen Hallen angelegt ist, worin sich Parallelen zu Behausungen in der isländischen Mittelalterliteratur finden lassen.
Dieser Beitrag untersucht die topographische und funktionale Bedeutung märchenhafter Wohnstätten in isländischen Zaubermärchen, als Ausdruck des sozialen und gesellschaftlichen Gefüges in Island sowie den Einfluss isländischer Mittelalterliteratur auf das Volksmärchen des 19. Jahrhunderts. Das Märchen ist hier jedoch kein Überbleibsel, welches mittelalterliche Gesellschaftsstrukturen oder literarische Gepflogenheiten widerspiegelt. Vielmehr ist es ein ästhetisches Produkt, entstanden durch den regen Austausch weiterentwickelter mittelalterlicher Texte und Erzählstoffe sowie mündlich tradierter Stoffe aus dem In- und Ausland, welche im Island des 19. Jahrhunderts koexistiert haben.
Paper short abstract:
Jeder kennt das Lebkuchenhaus und das Märchen "Hänsel und Gretel", dieses Märchenhaus ist weltweit berühmt. In meinem Vortrag beschäftige ich mich interdisziplinär mit der Entwicklung des Lebkuchenhauses, seiner Bedeutung und Popularität.
Paper long abstract:
Jeder kennt das Lebkuchenhaus und das Märchen "Hänsel und Gretel", sogar in meinem Heimatland Japan kennt man es als Haus aus Süßigkeiten (okashi no ie). Aber eigentlich sah das Haus im besagten Märchen ursprünglich so aus; "das Häuslein aus Brot gebaut war und mit Kuchen gedeckt; aber die Fenster waren von hellem Zucker". Im elsässischen Märchen ist das Haus der Hexe ein "Eierkuchenhäuslein", in der Illustration von Otto Ubbelohde war es aus Lebkuchen gebaut. Wenn man die erste japanische Übersetzung von "Hänsel und Gretel" aus dem Jahr 1901 liest, so findet man weder ein Brothäuslein noch ein Lebkuchenhaus, sondern ein Haus, "das aus eckigen und runden Reiskuchen mit einem Dach aus Süßigkeiten und Fenstern aus Kandiszucker bestand". Das Märchen wurde mehrfach verfilmt, das Knusperhäuschen aus der Verfilmung von 2012 im Rahmen der ARD-Reihe "Sechs auf einen Streich" heute im Vergnügungspark Filmpark Babelsberg. In der Weihnachtszeit backen viele Bäcker kleine Lebkuchenhäuser für den Verkauf und manche stellen ein relativ großes selbst gebackenes Lebkuchenhaus als Dekoration ins Schaufenster.
In meinem Vortrag beschäftige ich mich interdisziplinär mit der Entwicklung vom Brodhäuslein zum Lebkuchenhaus/Knusperhäuschens und seiner Bedeutung unter Berücksichtigung der verschiedenen Varianten des Märchens "Hänsel und Gretel" (ATU 327A) und den Illustrationen, sowie sonstigen Produkten um dieses (Luxus)Haus in der heutigen Adaption und versuche herauszufinden, warum es so populär geworden ist.
Paper short abstract:
Ausgehend von einer Typologie des Märchenschlosses zieht der Vortrag exemplarisch Verbindungen zu märchenhaften Erzählungen in der Popkultur, in denen die Ambivalenzen des Schlosses als Motiv wie als narratives Mittel aufgegriffen und weiterentwickelt werden.
Paper long abstract:
Entgegen der alltagskulturellen Konnotation vom Märchenschloss als einem Ort von Schönheit, Reichtum und Erfüllung zeigen sich in Märchen und märchenhaften Erzählungen Schlösser (und deren Äquivalente) in einem sehr weiten Bedeutungsspektrum. So können sie Ausgang- wie Endpunkt bzw. Zwischenstation einer Erzählung sein, (un-) nötiges Beiwerk oder changierendes Trugbild, sie können verwunschen und ein Ort des Schreckens sein, ebenso ein Ort von Glück und Sicherheit. Ausgehend von einer Typologie des Märchenschlosses zieht der Vortrag exemplarisch Verbindungen zu märchenhaften Erzählungen in der Popkultur, in denen die Ambivalenzen des Schlosses als Motiv wie als narratives Mittel aufgegriffen und weiterentwickelt werden.
Paper short abstract:
Der Beitrag geht davon aus, dass das Schloss narrativ als Störraum dient, der Ordnung suspendiert, Kontingenz freisetzt, Krisen produziert - und so Narrativität erst erzeugt. Damit wird die dialektische Erzählfunktion des Schlosses fokussiert, Ordnung zu objektivieren und zugleich zu stören.
Paper long abstract:
Meine Argumentation setzt bei der narratologischen Grundannahme an, dass Erzählungen auf semiosphärischen Störungen aufbauen. Daher kann man sie als 'breaching experiments' verstehen, die sowohl ihre HeldInnen als auch ihre RezipientInnen mit dem Verlust institutionalisierter Welterschließung konfrontieren und mögliche Reaktionen auf die damit zusammenhänge Kontingenzerfahrung aufzeigen.
An Beispielen, die ich der gothic fiction des 19. Jahrhunderts, dem angloamerikanischen Mittelalterfilm der 1950er Jahre und schließlich The Game of Thrones entnehme, entwickle ich die These, dass der Handlungsort 'Schloss' in populären Erzählungen die Hauptfunktion hat, solche 'breaching experiments' zu initiieren. Idealiter sind Schlösser umschlossene Räume, die ein geschlossenes Erfahrungs-, Wissens-, Wertesystem um- und abschließen. Sie sind, in der Terminologie Juri Lotmans, kultursemiotisch ‚kalt', da sie kulturelle Dynamik, Hybridität und Polyglossie ausschließen. Deswegen erweisen sich Schlösser auch besonders anfällig für Störungen, für Einbrüche von Alterität und Kontingenz, weil bereits kleine Irritationen Krisen innerhalb der verschlossenen Ordnung auslösen können. An meinen Beispielen werde ich zunächst die jeweiligen Ordnungsgefüge vorstellen, die die jeweiligen Erzählkulturen dem Schloss zuweisen; diese axiologische Rahmung analysiere ich über die Parameter Gender, Ethnizität und Sozialität. Im zweiten Schritt gehe ich auf die Figurationen der Krise ein, die das Schloss destabilisiert und die Erzählung überhaupt ermöglicht. Aufmerksamkeit verdienen hierbei zum einen die unterschiedlichen axiologischen Brüche, die am Handlungsort ‚Schloss' inszeniert werden, zum anderen die Strategien, diese Brüche zu bewältigen. Letzteres erfolgt hinsichtlich der HeldInnen über deren Handlungsreaktionen, hinsichtlich des extradiegetischen Publikums anhand der Rezipientensteuerungen, die die Erzählungen aufweisen. Grundfrage ist also: Was schließen unterschiedliche historische Schlossimaginationen jeweils ab, und wie wird reagiert, wenn diese Schließungen nicht mehr funktionieren?
Paper short abstract:
Luxuriöse Behausungen in Horrorfilmen sind Teil einer narrativen Dynamik, die an und in ihnen entfaltet wird. Der Einbruch des Schreckens kann hier an einen ästhetisierten Handlungsort gelegt werden. Die Frage nach der Funktion einer solchen Darstellung steht im Mittelpunkt des Beitrages.
Paper long abstract:
Das Märchenschloss als Wohnort der Reichen, Schönen und auch Mächtigen sowie als Sehnsuchtsort der Armen wird in Märchen ebenso thematisiert wie das düstere verwunschene Schloss, in denen wunderliche und schreckliche Dinge geschehen, wie etwa beim Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen, als die Toten sich zum Kegelspielen einfinden. In Horrorfilmen gibt es ebenfalls große und luxuriöse Behausungen, in denen die Geschichten ihren speziellen narrativen Charakter entfalten. So ist etwa in dem Film Das Geisterschloss (1999) - wie in anderen Haunted- House- Filmen - der numinose Schrecken an die Behausung gebunden.
In meinem Beitrag sollen jedoch nicht die düsteren Häuser des Horrorfilms betrachtet werden, nicht die Behausungen des Numinosen. Ich möchte die luxuriösen Häuser der ‚Schönen' und ‚Reichen' in den Mittelpunkt stellen, in denen der ‚reale' Schrecken in Form von Serienmördern vor dem Hintergrund einer hellen Ästhetik des Luxusgeschmacks seinen Auftritt hat (vgl. z.B. die Eingangssequenz der Horror-Serie Scream, 1. Folge, 1. Staffel, 2015). Welche Funktion kommt solch einem lichten und ästhetisierten Handlungsort für den Verlauf und das Verständnis einer Horrorerzählung zu, in der die blutige Spur nicht in einem düsteren Pendant hinterlassen wird? Zudem wird auch die Frage gestellt, welche Vorstellungen von Reichtum und Geschmack über die Darstellungen der Luxusbehausungen in den Geschichten verarbeitet werden. Welche sozialen Zuschreibungen werden bspw. virulent, wenn in der Eingangsszene eines Slasher-Films das verhasste ‚Rich Kid' als erstes Opfer im villeneigenen Swimming Pool endet?
Paper short abstract:
Der Beitrag befasst sich mit r Wohnformen und ihrer symbolischen Aufladung in neuen Bearbeitungen der Geschichte der Bête du Gévaudan (1764-1767). Diese oszillieren zwischen unermesslichem Reichtum in den Schlössern des Adels, armen Behausungen der Bauern und alptraumhaften Löchern als Unterschlupf der Bête.
Paper long abstract:
Die Bête du Gévaudan, ein wolfsähnliches Raubtier, war zwischen 1764 und 1767 in der historischen französischen Provinz des gleichen Namens aktiv. Ihre Angriffe forderten gegen 100 Todesopfer .
Da die Geschehnisse nie restlos geklärt werden konnten, laden sie bis heute zu Spekulationen ein. Da die Todesopfer Frauen und Kinder waren, erstaunt es nicht, dass es zahlreiche Bearbeitungen gibt, welche sich märchenhafter Elemente bedienen, indem sie eine Rotkäppchen-Variation erzählen. Beliebt sind aber vor allem Nacherzählungen der damaligen Geschehnisse, die den Gegensatz von reichem Adel und armer Landbevölkerung auf verschiedenen Ebenen betonen. Dazu dient gerne der Gegensatz zwischen den reichen, dem Alltag entrückten Schlössern und den ärmlichen Behausungen der Bauern. Dass es um den Unterschied von Schein und Sein geht, macht deutlich, dass oftmals noch eine weitere Dimension auftritt, in der die Höhle oder der Unterschlupf der Bête - sei sie menschlich oder tierisch - als alptraumhafter Ort des Schreckens und des Horrors eine besondere Rolle spielt. Oftmals weist die Bête du Gévaudan eine enge Verbindung zum Adel und seinen herrschaftlichen Schlössern auf, indem sie als Werkzeug von einzelnen Adligen instrumentalisiert wird.
Mein Beitrag will den wiederkehrenden Bildern der Wohnstätten, ihrer BewohnerInnen und ihrer symbolischen Aufladung, die in den oftmals ins Fantastische, ins Märchenhafte entrückten Bearbeitungen der Geschichte der Bête du Gévaudan vorherrschen, nachgehen. Der Fokus liegt auf Romanen und Filmen des frühen 21. Jahrhunderts.
Paper short abstract:
Also in Latvian folk-tales and legends the travelling folklore motives and plots have merged with indistinct memories of the ancient past, later being even more influenced by historical events and the tradition of book illustration.
Paper long abstract:
The ancestors of the Latvians ceased to have their own castles and manor houses in the 13th century, after which only foreign lords owned castles on this soil.
The folk-tale castles are usually not described in detail, leaving enough space for imagination. So the illustrators of folk-tale books have applied their time-related idea to the images. This tradition of illustration has followed its own path, little related to the texts, creating a more "national" tradition than that in the folklore texts.
The castles in the legends are different. The sunken ones that some are lucky to see and even visit. Then there are ruins where ghosts can be seen. The manor houses of the feudal lords, where the masters ruthlessly exploit their subjects - the serfs and servants. The castles of the contemporary masters, mentioned in many an urban legend...
The descriptions of castles also show the level of culture contacts, as these have come to this land together with the texts of folk-tales and legends they are featured in. By analysing the description of castles in some individual types of traditional narratives, the author of the presentation will try to isolate some features of the possible "Latvian" castles.
The present research also uses the data obtained in a survey - how are castles and other dwellings of rich persons seen by children, participating in storytelling contests on the national scale today.
The presentation is planned to be in German, while the texts in the slides will be in English.